
Fachkräftemangel, veränderte Lebensrealitäten und der zunehmende Wunsch nach Zeitsouveränität: Viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre Arbeitszeitmodelle zu überdenken. Doch gerade dort, wo physische Präsenz erforderlich ist – etwa in Produktion, Logistik oder Pflege – scheint mehr Flexibilität oft schwer umsetzbar. Doch wenn wir die Erwerbstätigkeit von Frauen und Personen mit Care-Verantwortung stärken und ausbauen wollen, müssen wir genau hier ansetzen!
Unser Webinar „Flexibilität bei Präsenzberufen“ hat gezeigt: Es geht. Und es lohnt sich.
Flexibilität wirkt – auch auf den Fachkräftemarkt
Wer Arbeitszeiten flexibel und planbar gestaltet, sendet ein starkes Signal an potenzielle Bewerberinnen und Bewerber: Beruf und Familienverantwortung lassen sich vereinbaren. Das ist besonders relevant, wenn es darum geht, Frauen als Fachkräfte zu gewinnen – denn sie übernehmen nach wie vor überdurchschnittlich oft einen Großteil der Care-Arbeit, etwa in der Kinderbetreuung, Pflege oder Haushaltsorganisation. Unternehmen, die diese Realität anerkennen und darauf reagieren, erschließen sich wichtige Fachkräftepotenziale und setzen ein Zeichen für eine moderne, lebensphasenorientierte Unternehmenskultur.
Flexibilität ist mehr als Homeoffice
Auch wenn Homeoffice in Präsenzberufen nur eingeschränkt möglich ist, gibt es zahlreiche Ansatzpunkte für mehr Arbeitszeit-Flexibilität. Unternehmen, die auf Wahlmöglichkeiten bei Schichten, Teamabsprachen, funktionierende Gleitzeitmodelle oder Mitgestaltung bei der Schichtplanung setzen, schaffen wertvolle Spielräume für ihre Mitarbeitenden – ohne den Betrieb zu gefährden.
Vereinbarkeit durch einen „Generationenvertrag“
Ein besonders praxisnahes Modell stellte Gabriele Held (RKW Kompetenzzentrum) vor: den sogenannten Generationenvertrag. Beschäftigte mit kleinen Kindern erhalten bevorzugt Zugang zu familienfreundlicheren Schichten – mit der Erwartung, dieses Privileg weiterzugeben, sobald die eigenen Kinder größer sind. So entsteht ein solidarisches Modell, das Eltern gezielt unterstützt und gleichzeitig den Teamzusammenhalt stärkt.
Jahresarbeitszeitkonto – Flexibilität über das Jahr hinweg
Gerade in Branchen mit saisonalen Auftragsschwankungen – etwa in der Gastronomie, Veranstaltungsbranche oder Industrie – bewährt sich das Modell der Jahresarbeitszeitkonten. Arbeitszeiten werden an die jeweilige Auftragslage angepasst, ohne dass kurzfristig neue Verträge geschlossen oder Überstunden aufwendig geregelt werden müssen. Das bietet Unternehmen wirtschaftliche Spielräume und Beschäftigten mehr Planungssicherheit.
Gute Planung schafft Verlässlichkeit
Wer Schichten frühzeitig plant, stärkt die Planbarkeit des Alltags für die Mitarbeitenden – und genau das wünschen sich viele: Zeit für Familie, Hobbys oder persönliche Termine. Verlässlichkeit ist ein zentraler Baustein moderner Arbeitskultur – insbesondere bei flexiblen Modellen.
Arbeitszeitkonto – Flexibilität im Alltag
Ein Gleitzeit- oder Arbeitszeitkonto ermöglicht es Mitarbeitenden, bei kurzfristigen Anliegen oder familiären Notfällen flexibel zu reagieren – etwa früher zu gehen, später zu kommen oder sich ganz freizunehmen. Die Stunden werden vor- oder nachgearbeitet, zum Beispiel in Zeiten höherer Auslastung. Das stärkt das Vertrauen in den Arbeitgeber und unterstützt die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Anna-Lena Meinhardt (Konecranes GmbH) berichtet, dass diese Form der Flexibilität im Unternehmen aktiv genutzt und sehr geschätzt wird.
Beteiligung stärkt Identifikation
Mitgestaltungsmöglichkeiten bei der Schichtplanung und offene Kommunikation über Grenzen und Möglichkeiten von Flexibilisierung stärken die Identifikation mit dem Arbeitgebenden. Flexibilität heißt nicht: alles ist möglich. Aber: vieles ist verhandelbar. Wer Mitarbeitende einbezieht, schafft Akzeptanz – auch in komplexen Systemen wie der Schichtarbeit.
Faire Regeln schaffen Akzeptanz
Rollierende Schichtsysteme gelten als gerecht, können jedoch zu Belastungen führen – etwa durch häufige Nachtarbeit. Verlässliche Regeln wie die freiwillige Übernahme von Nachtschichten, Gesundheitschecks für ältere Mitarbeitende oder Ausgleichstage helfen, Belastungen abzufedern. Gleichzeitig bleibt die wirtschaftliche Auslastung im Blick – durch eine ausgewogene Verteilung der Schichten im Team.
Veränderung testen – nicht verordnen
Veränderungen brauchen Raum und Zeit. Deshalb empfiehlt HR-Expertin Anna-Lena Meinhardt (Konecranes GmbH), neue Modelle zunächst in kleinen Pilotprojekten zu erproben. Ein klar definierter Zeitraum, eine begrenzte Zielgruppe und transparente Kommunikation helfen dabei, die Akzeptanz im Unternehmen zu erhöhen. Rückmeldungen aus dem Team können direkt in die Weiterentwicklung einfließen.
Vielen Dank an unsere Expertinnen:
• Gabriele Held, RKW Kompetenzzentrum
• Anna-Lena Meinhardt, Konecranes GmbH
• Moderation: Ina Schickert, Kompetenzzentrum Frau & Beruf Düsseldorf/Kreis Mettmann
Aktuell anstehende Wissen-kompakt-Webinare finden Sie stets hier: https://erfolgsfaktorfrau.de/wissen-kompakt/.